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  • AutorenbildAnnette Heinrich

Mobbing am Arbeitsplatz: Porträt+Ratgeber – Was tun bei Konflikten am Arbeitsplatz?

ZDFsonntags | Sendetermin: 17.04.2011, 9 Uhr


Buch & Regie: Annette Heinrich & Christian Hestermann


„Das ist ganz typisch für Mobbingopfer“, so Hans Otto Morgenthaler, „oft gehen die Betroffenen erst zum Arzt – und dann kündigen sie!“ Morgenthaler ist Rechtsanwalt – und beschäftigt sich in mit seinem Netzwerk seit Jahren mit dem Thema „Mobbing“. Er berät Mobbingopfer und steht ihnen bei der Wahrung ihrer Ansprüche zur Seite. „Leider kommen die Betroffenen meist erst zu uns, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das Arbeitsverhältnis ist meistens schon so zerrüttet, dass der Arbeitsplatz nicht mehr zu retten ist. Denn über eines müssen sich die Betroffenen im Klaren sein: Gegen einen Arbeitgeber zu prozessieren und gleichzeitig dort weiter zu arbeiten, das funktioniert in der Praxis nicht“, so der 61-Jährige. „Wenn der Betroffene sagt: ‚Ich möchte weiterhin bei meinem Arbeitgeber arbeiten!‘, dann rate ich ihm unbedingt ab, vor die Gerichte zu ziehen. Dann muss man anders an die Sache herangehen!“


Die Betroffenen, mit denen Morgenthaler zu tun hat, sind oft psychisch und physisch am Ende. „Sie sind sehr verunsichert und suchen den Fehler zunächst einmal bei sich selbst. Unsere Psychotherapeuten müssen ihnen erstmal klarmachen: Ihr seid kein Einzelfall, Mobbing gibt es häufig. Es ist nicht eurere Schuld, dass ihr zum Opfer geworden seid. Schuld sind die Strukturen am Arbeitsplatz!“ Aber seine langjährige Erfahrung hat ihm auch gezeigt, dass man Menschen nur helfen kann, wenn sie auch an den Eigenanteilen arbeiten. „Wir analysieren die gesamte Situation: Was passiert konkret am Arbeitsplatz und woher kommt der Druck? Aber wir thematisieren auch, wo sich die Betroffenen vielleicht selbst besser anders verhalten hätten.“


Sinnvoll ist es für ihn, zusammen mit den Arbeitgebern und den Betroffenen an den Strukturen zu arbeiten, die in den Firmen vorherrschen und die Mobbing überhaupt erst möglich machen. „Man muss versuchen, mit den Firmen in die Diskussion zu kommen“, so der Rechtsanwalt. Er kennt Fälle, wo sich ganze Abteilungen untereinander bekriegen. „Die Mitarbeiter beschäftigen sich dann einen großen Teil ihrer Arbeitszeit damit, seitenlange Emails zu schreiben, anstatt sich ihrer eigentlichen Arbeit zu widmen. Das ist auf der einen Seite für die Betroffenen unerträglich, auf der anderen Seite für die Firmen uneffektiv und unrentabel!“ Man schätzt, das den Unternehmen durch Mobbing und den Folgen pro Jahr Kosten in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages entstehen.


Morgenthaler ist davon überzeugt, dass jede größere Firma eine „Clearingstelle“ etablieren sollte, an die sich die sich Mitarbeiter wenden können, wenn sie das Gefühl haben, gemobbt zu werden. „Das hätte den Vorteil, dass Konflikte frühzeitig erkannt werden und man dadurch die Möglichkeit bekommt, gegen zu steuern, bevor eine Situation entstanden ist, die für beide Seiten nicht mehr tragbar ist.“ Mobbing ist für ihn in allererster Linie eine fehlgeleitete Kommunikation. „Wenn man es schafft, über die Probleme zu reden und an den Strukturen zu arbeiten, ist schon ein großer Schritt getan!“, da ist sich der 61-Jährige aus Mannheim sicher.


„Leider“, berichtet der engagierte Rechtsanwalt, „ist Mobbing für viele Firmen immer noch ein rotes Tuch. Firmen geben nicht gerne zu, das bei ihnen gemobbt wird, denn die Existenz von Mobbing hat ja auch immer etwas mit einer Führungsschwäche zu tun. Aber manchmal habe ich mit einem Trick die Möglichkeit, doch etwas in den Firmen anzuschieben!“, ergänzt er lächelnd. „Wenn ich Mobbing nicht mehr Mobbing nenne, sondern konfliktbelastende Kommunikation, dann wird das von vielen Firmen eher akzeptiert und wahrgenommen!“ Und es gibt auch positive Erfahrungen: VW hat eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat über den Umgang mit Mobbing getroffen. „Ein Manager hat mir berichtet, dass allein die Existenz dieser Vereinbarung dazu geführt hat, das Betriebsklima zu verbessern!“

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