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  • AutorenbildAnnette Heinrich

37 Grad: Neustart. Befreit von aller Schuld

ZDF | Sendedatum: Dienstag, 17.1.2012


Schicksalhaft verbunden – Katholische Nachrichten Agentur


Befreit von aller Schuld – teleschau


Medienresonanz:


Katharina Raab | teleschau_der mediendienst

An der Raststätte Hunsrück veränderte sich Florians Leben für immer. Auf der Autobahnauffahrt kollidiert sein Motorrad mit einem LKW. Der damals 16-Jährige ringt mit dem Tod und verliert beide Beine. Truckerfahrer Danny zerbricht indes unter der Last der aufgeladenen Schuld. Er glaubt, er habe einen Menschen getötet. Erst 19 Jahre später wird er eines Besseren belehrt. ZDF-Autorin Annette Heinrich durfte im Sommer 2011 dabei sein beim ersten Wiedersehen der beiden auf tragische Weise verbundenen Männer. Mit ihrer "37°"-Reportage "Befreit von aller Schuld", die im Rahmen des dreiteiligen Reihenschwerpunkts "Neustart" läuft, gelang ihr die respektvolle und sensible Umsetzung einer rührenden Geschichte.

Die Distanz zu ihren Protagonisten konnte Filmemacherin Annette Heinrich nicht immer wahren. Zu nah ging ihr ihre Geschichte, die so tragisch begann und nun, vor Heinrichs Kamera, ein versöhnliches und optimistisches Ende fand. Auch deshalb begreift sich die Autorin mehr als Wegbegleiterin, die nicht nur erzählt, sondern auch mitfühlt. Dieses Mal vielleicht mehr denn je. Denn Annette Heinrich ist mit Protagonist Florian schon seit längerer Zeit freundschaftlich verbunden. Seine Geschichte ist bereits mehrmals erzählt worden. Der heute 35-Jährige ist mehrfach medienerprobt, hat sich als Handbiker einen Namen gemacht, ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben ("Der halbe Mann"). Er hadert längst nicht mehr mit seinem Schicksal, hat den Kämpfer in sich zementiert und ist mit seiner lebensbejahenden Einstellung Vorbild für viele. Das Wort "Schwäche" hat Florian aus seinem Vokabular gestrichen, er geht wenn durch kleine Täler und auch das nicht gerne. Zumindest nicht, wenn die Kamera an ist. "Ich habe versucht, Florians andere Seite herauszukitzeln, doch das war sehr schwierig", gesteht Annette Heinrich. Bei Danny ist es anders. Er konfrontiert sich vor der Kamera mit seiner Vergangenheit, beginnt zu verarbeiten, was vor 19 Jahren geschah. Seine Genesung erlebt der Zuschauer unmittelbarer. Annette Heinrich begleitete den 45-Jährigen an die Orte seines Traumas, fährt mit ihm an die Autobahnraststätte Hunsrück. Dort sei vieles wieder hochgekommen, erinnert sich die Filmemacherin. Danny ging an dem Unfall zugrunde - obwohl er nichts dafür konnte. Ein tragischer Irrtum lässt ihn annehmen, der Junge, der blutverschmiert und mit zerschmetterten Beinen auf der Straße lag, sei an seinen Verletzungen gestorben. Danny wird depressiv, seine Ehe zerbricht, er hängt seinen Job an den Nagel und weigert sich, das Erlebte aufzuarbeiten, bestraft sich damit selbst. Die Eltern des vermeintlich toten Jungen will er nicht konfrontieren - aus Angst. "Er hat sich um 19 Jahre seines Lebens gebracht", sagt Heinrich. In einer TV-Talkshow sieht Danny Florian plötzlich wieder - quicklebendig und lebensfroh. Es ist ein sehr emotionaler Film, den Annette Heinrich gänzlich ohne falschen Pathos umsetzte und dessen eindrucksvoller Höhepunkt sicher das Treffen der beiden Männer ist. Aus Respekt vor dem intimen Charakter des Moments nahm die Autorin auch Qualitätsabstriche beim Ton hin. Die Kamera wartet in respektvollem Abstand, wenn sich die beiden Leidgeprüften in die Arme fallen. Es wird viel geweint in diesem Film, aus Trauer, aus Freude. Verquollene Augen und Tränen gibt es dennoch kaum zu sehen. Annette Heinrich setzte auf ein subtileres Erzählen - auch aus Respekt vor ihren Protagonisten. "Als Filmemacher stehst du immer im Spagat, du willst deinen Protagonisten und deinem Gewissen gerecht werden, musst aber andererseits ein Produkt abliefern, das den Rahmenbedingungen entspricht." Die ethische Herausforderung gelingt. "Befreit von aller Schuld" berührt, ohne den Zuschauer zum Gefühlsvoyeur zu degradieren. Manches, so formuliert die Autorin treffend, stehe eben auch immer zwischen den Zeilen.


Monika Herrmann-Schiel | Katholische Nachrichten Agentur, Bonn


Mainz (KNA) Anfang Februar 2011 schaltet Daniel Stanitzky das Fernsehen an. Die Gäste von «Plasberg persönlich» wollen über das Motto «Hallo Angst - Du kannst mich mal!» sprechen. Daniel ahnt nicht, dass diese Sendung sein Leben verändern wird. Als Plasbergs Gast Florian Sitzmann über den Unfall berichtet, bei dem er vor 19 Jahren beide Beine verloren hat, ist Daniel fassungslos. Der junge Mann ist der Mensch, von dem er seit fast zwei Jahrzehnten glaubt, dass er schuld an seinem Tod sei.

Daniel saß am Steuer des LKWs, der den damals 15-jährigen Jungen überrollt hat. Die

Filmjournalistin Annette Heinrich erfährt von Florian Sitzmann, dass ihm ein LKW-Fahrer

geschrieben habe, er glaube, er habe ihn überfahren und habe ihn in all den Jahren für tot

gehalten. Annette Heinrich erkennt, dass dies ein großartiger Stoff für einen Film ist.

Mit einem Besuch bei Daniel Stanitzky beginnen ihre Vorarbeiten für die Dokumentation «Befreit von aller Schuld», die am 17. Januar um 22.15 Uhr im Rahmen des «37 Grad»-Schwerpunkts «Neuanfang» im ZDF ausgestrahlt wird. Annette Heinrich trifft auf einen Mann, der schwer angeschlagen ist und seit einiger Zeit psychische Hilfe in einer Tagesklinik sucht. An dem Unfall ist Daniel nicht schuld gewesen. Das Motorrad, auf dem Florian als Beifahrer saß, war beim Auffahren auf die Autobahn zu weit nach links geraten. Nach der Kollision wurde Florian unter den 20-Tonner geschleudert. Drei Wochen später bekommt Daniel von der Rechtsabteilung der Spedition, für die er damals gearbeitet hat, die Auskunft, dass der Junge verstorben sei. Für den Lastwagenfahrer wird das Leben zur Qual. Der sensible Mann versucht, das Geschehene zu verdrängen. Dann bekommt er Panikattacken. Es quält ihn, dass er einen Menschen getötet hat, auch wenn ihn juristisch keine Schuld trifft. Annette Heinrich gelingt es, Daniel Stanitzky von der Seriosität ihres Filmprojekts zu überzeugen. Er willigt ein. Es sei ein sehr emotionaler Prozess gewesen, der ihm viel bedeute und durch den er nach fast genau 19 Jahren dieses dunkle Kapitel in sich habe schließen können, erklärt Daniel. Um den Film möglichst authentisch zu machen, bat Annette Heinrich ihre beiden Protagonisten um

viel Geduld. Sie wollte, wenn auch diskret, beim ersten Zusammentreffen der Männer mit der

Kamera dabei sein. Im Privatgarten des Schloss Vollrads bei Oestrich-Winkel fand die Autorin

einen ruhigen, geschützten Raum für das erste Zusammentreffen.

Annette Heinrich ist ein sehr bewegender Film gelungen, der zwei außergewöhnliche Menschen zeigt. Florian ist ein Kämpfer, der die Herausforderung Leben angenommen hat. Der Film zeigt, wie er es meistert. Er ist Vater einer vierjährigen Tochter, erfolgreich im Beruf und als Leistungssportler. In dem 2009 erschienenen Buch «Ein halber Mann. Dem Leben Beine machen» beschrieb er den Unfall, der sein Leben so verändert hat, und wie er diesen Neustart bewältigt hat. Sein Optimismus ist ansteckend. Daniel ist ein Mann mit hohem Verantwortungsgefühl und hohen ethischen Ansprüchen, der an seinen Schuldgefühlen schwer getragen hat. «Ich bin froh und dankbar, dass ich diesen Film machen durfte, denn er hat mich endlich befreit», erklärt Daniel Stanitzky. Dies zeigt, dass Filme über tragische Schicksale hilfreich sein können, wenn sie auf Sensationsmache verzichten. Annette Heinrich hat dies getan, ihre beiden Protagonisten mit großem Respekt behandelt und ihnen so ein verdientes filmisches Denkmal gesetzt.

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